Recruiter und Personaldienstleister sehen sich gegenwärtig mit neuartigen Herausforderungen konfrontiert, die es vor ein paar Jahren noch nicht gab. Ein Phänomen, das immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist das Ghosting im Recruiting – auch Job-Ghosting oder Job No-Shows genannt.
Der ideale Kandidat für die ausgeschriebene Vakanz scheint gefunden, eine Zusage liegt vor und oft ist der Vertrag bereits aufgesetzt, doch plötzlich ist der Kandidat oder die Kandidatin wie vom Erdboden verschluckt. Der Kontakt bricht vollständig ab. E-Mails werden nicht mehr beantwortet und auch telefonisch ist der Bewerber oder die Bewerberin nicht mehr erreichbar.
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Waren es früher oftmals die Personalverantwortlichen selbst, die Bewerber lange auf eine Rückmeldung warten ließen oder ihnen überhaupt keine Absage erteilten, wissen heutige Bewerber um ihren Wert auf dem umkämpften Bewerbermarkt und tauchen häufig noch während des Bewerbungsprozesses oder kurz nach Vertragsunterzeichnung ab. Stellt man sich die Frage, welche Bewerber ghosten, wird eines deutlich: Es sind nicht nur Berufseinsteiger und junge Bewerber. Dieser Trend zieht sich durch alle Altersgruppen und Karrierestufen.
Was ist Ghosting im Recruiting?
Der Begriff des Ghostings stammt ursprünglich aus dem Online-Dating und beschreibt einen plötzlichen und vollständigen Kontaktabbruch. In den letzten Jahren findet das Phänomen des Ghostings allerdings auch vermehrt im Recruiting statt. Bewerber tauchen während oder nach dem Bewerbungsprozess unter, reagieren nicht mehr auf Telefonanrufe oder E-Mails oder erscheinen nach Vertragsunterzeichnung nicht zum ersten Arbeitstag. Sie brechen den Kontakt zu Personaldienstleistern und potentiellen Arbeitgebern ab. Laut einer Studie der Jobbörse Indeed aus dem Jahr 2022 sind bereits 90% der Recruiter schon einmal von Bewerbern geghostet worden.
Welche Konsequenzen hat Ghosting für Personaldienstleister?
Für Recruiter bedeutet Ghosting einen enormen Zeit- und Kostenaufwand. Wenn ein Kandidat oder eine Kandidatin unterschrieben hat und dann doch nicht zum Arbeitsbeginn im Unternehmen erscheint, fehlt es an Ersatz und Projekte können oftmals nicht termingerecht umgesetzt werden. Dies verursacht Kosten und erhöht den Druck auf die Personalverantwortlichen, zeitnah Ersatz zu finden. Darüber hinaus wirkt sich das plötzliche Abspringen von Kandidaten negativ auf die Zusammenarbeit zwischen Personaldienstleister und Kundenunternehmen aus. Das Vertrauen der Unternehmen in die Arbeit und Kompetenz der Personaldienstleister kann durch Ghosting nachhaltig beeinträchtigt werden.
Was sind die Gründe für Ghosting im Recruiting?
Die Gründe für Job-Ghosting sind vielfältig. Vor allem der Fachkräftemangel hat wesentlich dazu beigetragen, dass Bewerber gegenwärtig mehr Joboptionen zur Auswahl haben und zwischen verschiedenen Angeboten wählen können.
Selbstbewusstsein der Bewerber
Durch die vergrößerte Jobauswahl testen sie oftmals ihren Marktwert und ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Sie sind gegenüber den Personalfachleuten am längeren Hebel. Die Vielzahl an Angeboten ermöglicht ihnen, sich mehrere Optionen offen zu halten, wodurch sie nicht gezwungen sind, direkt das erste Angebot anzunehmen. Ein Jobangebot kann zudem als Druckmittel bei weiteren Vorstellungsgesprächen und Vertragsverhandlungen eingesetzt werden, um bessere Gehalts- und Vertragsbedingungen auszuhandeln.
Ein Grund für Ghosting: Viele Bewerberinnen und Bewerber kennen ihren Markpreis.
Der Wettbewerb um junge Talente
Ein weiterer Grund für Job-Ghosting liegt vor allem im aktuellen War for Talents. Qualifizierte Bewerber werden auch nach Vertragsunterzeichnung regelmäßig über Karriereportale wie LinkedIn oder Xing angesprochen und erhalten attraktive neue Jobangebote. Es herrscht ein permanenter Wettbewerb um Talente, wodurch Personaldienstleister mit der Konkurrenz um qualifizierte Kandidaten ringen. Insbesondere digitale Karriereportale haben diese Wettbewerbssituation verschärft. Diese Portale ermöglichen es den Bewerbern*innen zudem, eine Distanz zu Recruitern und Personaldienstleistern aufzubauen, wodurch ein Abtauchen einfacher wird. Bewerber können sich auf diesen Karriereportalen nach für sie interessanten Stellen umschauen, auch wenn sie nicht aktiv auf Jobsuche sind.
Ein schlechte Canddiate Experience
Auch die Candidate Experience kann dazu beitragen, dass sich Bewerber während des Bewerbungsprozesses in ihrem zukünftigen Unternehmensumfeld nicht wohl gefühlt haben oder ihre Wünsche nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Insbesondere unangemessene und unkonkrete Gehalts- und Vertragsbedingungen können ein Grund dafür sein, dass Bewerber Frustration entwickeln und den Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern abbrechen. War der Auswahlprozess kompliziert gestaltet oder wurden im Vorstellungsgespräch unangenehme Fragen gestellt? Eine negative Candidate Experience kann ein wesentlicher Grund dafür sein, dass Bewerber abspringen und sich gegen ein Unternehmen entscheiden.
Wie lässt sich Job-Ghosting vermeiden?
Wenn Personaldienstleister oder Recruiter mit Ghosting konfrontiert werden, gilt es vor allem, die Gründe hierfür zu finden, um geeignete Lösungen und Strategien gegen dieses Phänomen zu entwickeln.
An den eigenen Schwächen arbeiten
Ghosting kann nur dann effektiv vermieden werden, wenn sich Personalverantwortliche mit den eigenen Schwachstellen im Bewerbungsprozess auseinandersetzen. Wie war die Kommunikation mit den Bewerbern? Wurden Gehalts- und Vertragskonditionen klar besprochen? Was lässt sich am Bewerbungsprozess noch optimieren? Nur wenn Personalverantwortliche die Gründe von Ghosting identifizieren, können sie effektiv gegensteuern und im War for Talents die Nase vorn haben.
Vertrauen schaffen durch offene Kommunikation
Eine persönliche Kommunikationsebene trägt entscheidend zur Vermeidung von Ghosting bei. Bewerber, die ihr zukünftiges Team bereits vor Arbeitsbeginn kennenlernen konnten, entscheiden sich eher für diesen Arbeitgeber. Im Anschluss an ein persönliches Gespräch fällt eine Absage schwerer und Ghosting wird unwahrscheinlicher. Ein persönliches Vorstellungsgespräch sorgt also für mehr Commitment als ein Jobinterview am Telefon. Vor allem lange Kündigungsfristen können dazu führen, dass der Kontakt nach Vertragsunterzeichnung abreißt. Deshalb ist es wichtig, auch nach Abschluss des Bewerbungs- und Einstellungsprozesses mit den Kandidaten in Kontakt zu bleiben. Neu eingestellte Mitarbeiter können beispielsweise schon vor Arbeitsbeginn zu Teamevents eingeladen werden und ihr zukünftiges Team kennenlernen.
Unternehmenswerte hervorheben
Der starke Wettbewerb unter den Personaldienstleistern erfordert eine klare Kommunikation der eigenen Benefits. Employer Branding ist vor allem im digitalen Zeitalter und im Kampf um qualifizierte Kandidaten*innen wichtiger denn je. Personaldienstleister müssen daher eindeutig kommunizieren, welche Vorteile sie Bewerbern im Vergleich zur Konkurrenz bieten können. Warum soll ich mich über einen Personaldienstleister und nicht direkt bei dem Kundenunternehmen bewerben? Hierzu gehört auch die Darstellung des neuen Unternehmensumfelds sowie der Strukturen und Werte des künftigen Arbeitgebers.
Bewerbungsprozesse klar kommunizieren
Transparente Kommunikation ist das A und O innerhalb des Bewerbungsprozesses. Ghosting im Recruiting lässt sich vor allem dadurch vermeiden, dass Kandidaten über sämtliche Schritte des Bewerbungsprozesses eine Information erhalten. Was passiert, nachdem ich im Jobportal auf „Bewerbung absenden“ geklickt habe? Wann erhalte ich eine Rückmeldung? Kurze E-Mail-Reminder vor den Telefoninterviews oder Vorstellungsgesprächen helfen dabei, dass die Kandidaten die Termine nicht vergessen. Und haben Personaldienstleister ein Bewerberprofil an Kundenunternehmen verschickt, sind kurze Status-Updates ein erprobtes Mittel gegen Ghosting im Recruiting. Eine schnelle Nachricht, dass das Bewerberprofil einem neuen Kundenunternehmen vorgestellt wurde, unterstreicht das persönliche Engagement des Personaldienstleisters für den Bewerber und erhöht somit dessen Commitment.
Präsent bleiben
Ein qualifizierter Bewerber hat nicht zur konkreten Stelle gepasst, könnte aber für andere Stellen interessant sein? Angesichts des Fachkräftemangels und des hohen Wettbewerbs um qualifizierte Bewerber sind Personaldienstleister darauf angewiesen, den Kontakt zu qualifizierten Kandidaten z.B. durch Bewerbermanagementsysteme zu halten, auch wenn diese nicht zu einer aktuell ausgeschriebenen Vakanz passen. Bewerberdaten lassen sich hier abspeichern und der Kontakt zu Bewerbern*innen kann über Job-Alerts oder Newsletter gepflegt werden. Nur wer als Personaldienstleister bei Bewerbern präsent bleibt, kann sich im War for Talents langfristig gegenüber der Konkurrenz durchsetzen.
Eine Ursache für Ghosting im Recruiting: Der War of Talents.
Eindeutiges Erwartungsmanagement
Ein eindeutiges Erwartungsmanagement im Bewerbungsprozess ist ebenfalls ein erprobtes Mittel, um Ghosting wirksam vorzubeugen. Gerade im Recruiting zahlt sich Ehrlichkeit aus, denn Bewerber haben klare Erwartungen und Bedürfnisse. Personalverantwortliche sollten daher während des Bewerbungsprozesses Themen wie Gehalt, Vertragsbedingungen und Arbeitszeitmodelle ansprechen und nicht lange um den heißen Brei herumreden. Transparenz beinhaltet außerdem ein klares Erwartungsmanagement, beispielsweise indem den Bewerbern mitgeteilt wird, wie lange sie auf eine Rückmeldung warten müssen.
Keine Zeit verlieren
Die Digitalisierung hat das Tempo der Recruiting-Prozesse deutlich erhöht. Ob auf dem Weg zur Arbeit im Bus oder bequem von der Couch aus, Bewerber können sich gegenwärtig per Express-Bewerbung mit nur wenigen Klicks auf eine offene Stelle bewerben. Auf dem hart umkämpften Bewerbermarkt können sich letztlich nur die schnellsten Recruiter durchsetzen. Personalverantwortliche sollten daher ihre Time-to-Hire so kurz wie möglich halten, um sich qualifizierte Kandidaten nicht von der Konkurrenz vor der Nase wegschnappen zu lassen.
Fazit: Ghosting als Chance für Personaldienstleister
Der aktuelle Ghosting-Trend stellt Recruiter und HR-Verantwortliche vor neue Herausforderungen und erfordert die Entwicklung effizienter Lösungen und Strategien im Umgang mit diesem Phänomen und zur Vermeidung von Ghosting. Transparenz, persönliche Kommunikationsstrukturen, Schnelligkeit und Wertschätzung sind die wichtigsten Hebel, um diesem Trend wirksam entgegenzuwirken. Die Gründe für Ghosting sind vielfältig. Bewerbungsprozesse und Recruiting-Maßnahmen müssen daher kontinuierlich überprüft und optimiert werden. Hierfür kann es hilfreich sein, Feedback von bereits eingestellten Mitarbeitern einzuholen. Denn auch wenn sich das Phänomen des Ghostings nicht mehr aufhalten lässt, gibt es dennoch vielfältige Strategien, diesem Trend entgegenzuwirken. Der Ghosting-Trend ist zudem eine enorme Chance für engagierte Personaldienstleister: Durch das Ghosting spüren Unternehmen am eigenen Leib, wie wertvoll die Recruiting-Expertise von Personaldienstleistern ist. So investieren Unternehmen häufig mehr Geld in die Suche nach geeigneten Mitarbeitern und sind angesichts des Fachkräftemangels und der Digitalisierung bereit, qualifizierte Mitarbeiter mit Unterstützung von Personaldienstleistern zu finden.
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